Aufruf zur Mitarbeit

Bestandserfassung des Schwarzstorches (Ciconia nigra) in Thüringen

Der Schwarzstorch gehört zu den nach § 10 (2) Bundesnaturschutzgesetz streng geschützten Vogelarten. Außerdem zählt er zu den in Anhang I der EG-Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) aufgeführten Arten, für die Art. 4 (1) besondere Schutzmaßnahmen fordert. Im Hinblick auf den Artenund Biotopschutz wird er gern als „Flaggschiffart“ bezeichnet (u. a. PÜHRINGER 2007), die an reich strukturierte Wälder mit hohem Altholzanteil und Feuchtgebiete (vor allem Bachläufe) gebunden ist. FRANK und BERG (2001) stufen ihn als Leitart für intakte Waldökosysteme ein. Im Schlepptau der für ihn getroffenen Schutzmaßnahmen finden viele weitere gefährdete Arten günstige Lebensbedingungen. Mit Ausnahme des Brutvorkommens im südlichen Afrika (SIEGFRIED 1967) umfasst das Verbreitungsgebiet des Schwarzstorches die gemäßigt borealen und mediterranen Klimaregionen Eurasiens (SACKL 1985, BAUER und BERTHOLD 1996). Allerdings wird dieses vergleichsweise große Areal nur lückig und überwiegend in geringer Dichte besiedelt (DORNBUSCH und DORNBUSCH 1996, HORNMANN und RICHARZ 1996). Dabei unterliegt die Gesamtpopulation langfristig und großflächig starken Schwankungen.
In Mitteleuropa war die Art von 1920 – 1960 nahezu verschwunden (DORNBUSCH und DORNBUSCH 1996, HORNMANN und RICHARZ 1996). So sind in ganz Deutschland von 1950 – 1960 nur 10 – 25 Brutpaare bekannt gewesen (DORNBUSCH 1992). In Thüringen galt der Schwarzstorch bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als ausgestorben. Erst 1984, also über 100 Jahre später, konnte eine erfolgreiche Brut im Frankenwald nachgewiesen werden (GÖRNER und SCHULTHEIS 1984). Der Horst war seinen Ausmaßen zufolge bereits zwei Jahre zuvor angelegt worden (SEWITZ und KLAUS 1999).
Seit der Wiederansiedlung werden die Bestände des Schwarzstorches in Thüringen erfasst und dokumentiert. Dieses Monitoring ist ein Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Förstern, Naturschützern, Ornithologen und Jägern. Ebenso erfreulich ist das Ergebnis (Abb. 1), das insgesamt eine deutliche Zunahme der Bestände seit über zwanzig Jahren zeigt. Dieser Erfolg ist insbesondere auf das Engagement der Horstbetreuer und eine verstärkt naturnahe und störungsarme Forstwirtschaft in den Schwarzstorchrevieren zurückzuführen. Die gleiche Rücksichtsnahme gilt für die Jagdausübung, die in den sensiblen Bereichen von März bis einschließlich August ruhen sollte.

Abb. 1: Brutbestandentwicklung des Schwarzstorches in Thüringen im Verlauf der Wiederbesiedlung ab 1982. Angaben von 1982-1992 aus KLAUS und STEDE (1993), von 1994-1998 aus SEWITZ und KLAUS (1999), Angaben für 1993 als Mittelwert des Vorjahres und des folgenden Jahres, Angaben von 2000-2004 nach Auswertung landesweit erhobener Daten nach Methodenstandards von ANDRETZKE et al. (2005), für 2005-2006 Schätzwerte

Bei den Bestandsangaben in Abb. 1 handelt es sich um Mindestwerte, die sich auf gesicherte Brutnachweise und Brutverdachtsmomente beziehen. Hinzu kommt eine Dunkelziffer unbekannter Horste und nicht entdeckter Revierpaare. Denn trotz seiner Größe und auffälligen Erscheinung gehört der Schwarzstorch zu den extrem schwer zu erfassenden Vogelarten. Zum einen werden die Horste sehr versteckt angelegt und bei Störungen (auch während der Brutzeit) gewechselt. Zum anderen verhalten sich die Altvögel am Brutplatz sehr heimlich und unauffällig. Häufig wird der Horst nur in Interwallen von mehreren Stunden angeflogen. Daher ist es gerade beim Schwarzstorch typisch, dass auf einmal flügge Jungevögel zu sehen sind, während der Horst trotz intensiver Suche unentdeckt bleibt.

Abb. 2: Adulter Schwarzstorch auf dem Gelände der Staatlichen Vogelschutzwarte Seebach, (Aufn. H.-M. Menge)

Um der naturschutzfachlichen Bedeutung und ökologische Wertigkeit des Schwarzstorches gerecht zu werden, sind Kenntnisse über Verbreitung und Bestandesentwicklung unerlässlich. Daher sei an dieser Stelle allen Mitarbeitern beim Schwarzstorchmonitoring gedankt, insbesondere den Horstbetreuern, den Mitarbeiter der Thüringer Landesforstveraltung, den engagierten Ornithologen und der Thüringer Jägerschaft. In diesem Jahr wird das Projekt unter der Koordination der Staatlichen Vogelschutzwarte Seebach rückwirkend für 2007 fortgesetzt. Um eine möglichst genauen Überblick über die aktuelle Bestandessituation zu erhalten (insbesondere im Hinblick auf die anzunehmende Verluste infolge des Orkans Kyrill 2007) ist jede Schwarzstorchbeobachtung von Interesse. Meldebögen und Kartenmaterial können bei der Staatlichen Vogelschutzwarte Seebach (schriftlich, telefonisch, per Email oder Fax) angefordert werden.

Koordinator
Staatliche Vogelschutzwarte Seebach
Lindenhof 3
99998 Weinbergen/OT Seebach

Tel: 03601/440565
Fax: 03601/440664
stefan.jaehne@tlug.thueringen.de